sturmfisch
 
Montag, 22. Dezember 2003

was aus mir kommt

cut ...



and fade out ...

das war's. fuer die naechsten tage jedenfalls. zurueck in die heimat. zuviel essen und trinken. und hoffentlich auch zeit fuer freunde finden. lesen. ausschlafen.

es wird fuer ein paar tage ruhig werden, hier. aber so viel war ja ohnehin in der letzten zeit nicht los. irl forderte seinen tribut, den man landlaeufig auch STRESS nennt. was mich anbelangt, ist die abloesesumme fuer's erste bezahlt. moegen die grauen zeitdiebe mich in ruhe lassen. in RUHE lassen.

a dopo, und frohes frest. +++ end +++


 

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was aus mir kommt

Weihnachtsgruesse eines Sturmfisches



finden sie genau hier. Alles Liebe.


 

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Dienstag, 16. Dezember 2003

Werkstatt

Wie in guten so auch schlechten Zeiten



Hätte jemand an diesem Nachmittag seine Hand gehalten, wäre er sofort aufgeflogen. „Ich bin beim Steuerberater “ rief er nicht laut, nicht leise in das zu eng gewordene Großraumbüro hinein. Seine Finger fühlten sich dabei kalt und schwammig an. Robert konnte nicht lügen. Niemand sagte ein Wort, natürlich nicht, schließlich war er der Chef. Jedenfalls beinahe. Die wahre Autorität hinter allem blieb der Firmengründer. Ein charismatischer, nicht alternder weißhaariger Lenker, ein Naturtalent, wie ihn die lokal Wirtschaftzeitung in einer ihrer letzten Ausgabe bezeichnete. Die Neue Berliner Porzellanmanufaktur florierte. Spielend schaffte er es, sie alle immer wieder mit seinem magischen Blick zu verzaubern: Kunden, Lieferanten, Banken, Mitarbeiter. Und in der letzten Zeit auch die Öffentlichkeit. Sie liebten ihn dafür. Robert liebte ihn nicht, er war sein Schwiegervater. Vor Jahren, als er um die Hand der einzigen Tochter anhielt, musste er ihm das Versprechen, „unter uns Männern“ geben, auf sie aufzupassen und sich um sie zu kümmern. Dabei kümmerte sie sich um ihn, stellte er in der letzten Zeit mehr und mehr fest. Nie hätte er gedacht, dass sein „wie in guten so auch schlechten Zeiten“-Versprechen einmal eine ganz andere Bedeutung haben würde. Denn es gab sie nicht, weder die guten noch die schlechte Zeiten. Es gab nur ihre Zeit, die wie ein Schweizer Uhrwerk funktionierte. Zwei gerade Zeiger, die zuverlässig auf vorgegebenen Bahnen gleichmäßig rund zirkulierten. Alles vorhersehbar und alles zu seiner Zeit. Auch 6 Uhr. In regelmäßigen Abständen näherten sich beide Zeiger einander an. Genau eine halbe Stunde zuvor lagen sie übereinander. Der kleine auf dem großen. Immer. Und die Krawatten kauft auch sie, immer noch, dachte Robert und erinnerte sich mit einer gewissen Gleichgültigkeit, wie sie ihm seine erste schenkte. Damals, nach der ersten gemeinsamen heimlichen Nacht, dem ersten Mal. Jetzt hängt sein Schrank voll mit ihnen. Wie oft hatten sich die Zeiger seitdem wohl gedreht? Robert war auf dem Weg, als ihn die Angst überfiel, seine innere Uhr, sein Gleichgewicht, seine Ruhe zu verlieren, oder gar nie mehr loszuwerden. Er wußte es nicht genau. Auch das erste Mal. Wenn er mit Sarah zusammen war, spielte Zeit keine Rolle. Ihre Umarmungen zeigten, dass es nicht auf die Uhrzeit ankommt, ihre Küsse befähigten ihm, Zeit zu nutzen, und ihre Leidenschaft erfüllte seine Stunden, auch wenn sie nicht beieinander waren. Mit ihr begannen die Zeiger zu tanzen und lagen auch um viertel vor neun oder zehn vor zehn übereinander. Und bleiben stehen, solange sie wollten. Er fühlte sich mit Sarah in der Mitte verbunden, alles dreht sich um sie. Eine richtige Uhr eben, und nicht nur zwei Zeiger in einem glatt polierten goldenen Gehäuse. Jedenfalls immer dann, wenn er sich davonschleichen konnte, oder von ihr träumte.

Zum zehntausendsten Mal schaute sie auf die Uhr. Sarah steckte die Hand in die Hosentasche „sonst tut mir der Arm noch weh“ dachte sie, und spürte dabei einen altbekannten Schmerz in ihr Innerstes kriechen. Dorthin, wo über Jahre eine schützenden Schicht am Herzen gewachsen ist. Nie wieder wollte sie auf einen Mann warten, nie wieder! Oder? Sie zweifelte, wie sie sich im kalten Schatten der Weide eingestand. Der Gedanke an ihn hatte sie heute im Morgenlicht erregt, obwohl es noch Stunden dauerte werden würde, bevor sie sich wiedersähen. Endlich einmal im Park, auf der Strasse, im Café. Sie wollte viel mehr von ihm als die heimlichen Treffen, im Hotel oder später dann bei ihr. Verheiratete Männer sind schwierig, und ganz besonders Robert, dass fand sie schnell heraus. Bald konnte sie ihn lesen wie ein offenes Buch, und was sie dort fand, bewegte sie. Sein schüchterner Blick am Anfang, so als ob er selbst nicht glaubte, was geschah, seine Unerfahrenheit und irgendwann seine Hoffnungslosigkeit, als er sich traute, auch seine versteckten Kapitel aufzuschlagen. Die Bäume im Park hatte sie jetzt schon zweimal gezählt, und in Gedanken riß sie ihnen nun die Äste ab. Wo bleibt er nur? Robert war ein schwacher Mann. „Wenn ich ihm wichtig wäre, würde er pünktlich sein“ fluchte die Wut in sie hinein, „vielleicht ist ihm etwas passiert“ flüsterte die Sehnsucht aus ihr heraus. Sie stampfte auf den Boden, „Scheisse“ rief sie und errötete, als die anderen Parkbesucher sie anschauen.

Robert kam ins schwitzen. Wie lange wird sie auf mich warten? Er beeilte sich, den Park zu durchqueren. Warum wollte sie sich unbedingt hier mit ihm treffen? Ein Lächeln schlich über sein Gesicht, als er an ihre letzte Begegnung dachte, wie ihre schlanken Finger seine Lippen sanft mit Zärtlichkeit bestrichen. Wie ihm ihre Nähe die Luft nahm, immer näher, immer atemloser. Beide. Wie sie mit seinen Haaren spielte, deren Geheimratsecken sie so intellektuell fand. Sie würde ihm bestimmt kein therapeutisches Haartonikum bei einer Kosmetikerin bestellen. Auch Krawatten kaufte sie keine. Im Gegenteil. Er genoss die gemeinsame Nacktheit und schämte sich seines Bauchansatzes nicht. Er musste lachen, als Sarah ihn dort das erste Mal küsste. Robert wartete darauf, von seiner Frau im Fitnissclub angemeldet zu werden. Den neuen Frotteemantel dazu hatte er im wohlorganisierten Badezimmer schon erspäht. Bei Sarah herrschte das Chaos im Bad. Aber es duftete nach ihr. Wieder fühlte er ihre Haare auf der Haut, aber diesmal war es der Winterwind, der ihn umwehte. Plötzlich schrie Beethovens Fünfte „da da da daaaaa“ aus seiner Jackentasche. Die Melodie fror seine Bewegung ein, wie angewurzelt blieb er im Park stehen. Bescheuerter Klingelton. Aber sein Schwiegervater fand gerade dies an dem Gerät besonders lustig, als er es ihm zu Weihnachten schenkte. SMS von GLORIA, seiner Frau. „Papps sucht dich. Wo steckst du?“.

„Was soll’s“, flüsterte Sarah leiser vor sich hin, und wählte Roberts Handynummer, obwohl er ihr das nur für absolute Notfälle zugestand, seiner Frau wegen. Aber er musste ja schon unterwegs sein – hoffentlich. Vier Mal klingelte es, und dann beginnen die abgerissenen Äste zu blühen.

»Hallo. « »Robert? « »Ja, ja, ich bin es. Du, ich kann leider doch nicht kommen, ich muss ganz dringend sofort zum Steuerberater. Ich melde mich später, ok? « »Schade.« »Ja, ja, bis dann. «

Die erblühten Äste verdorrten in ihr. Auf der Parkbank kauerte sie sich zusammen, rang krampfend nach Luft. „Irgendwas läuft hier falsch“ überlegte sich Robert zum wer weiß wievielten Mal. Fast konnte er „Papps“ schon reden hören und sah doch immer wieder Sarah nackt vor sich. Nur auf der Parkbank erkannte er sie nicht, gehetzt und auf dem Rückweg. Wenig später wartete er auf das „Herein“, nachdem er an der Tür zum Schwiegervaters geklopft hatte. Wie immer war der Raum von klarem Licht durchdrungen, aufgeräumt. Bauhaus. Schlichte Eleganz und Kraft. Es roch nach Tee. Und Ärger. „Da bist du ja!“. Am kleinen verchromten Besprechungstisch trank sein Schwiegervater Tee mit Dr. Seibold. Dem Steuerberater.


 

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