sturmfisch
 
was aus mir kommt

Ans Meer



Als Skye am Morgen leise durch das Haus schlich, unsicher, ob sie Kaffee nur für sich kochen und Martin weiter schlafen lassen sollte, fand sie einige handbeschriebene Blätter auf der Kommode. Draußen regnete es. „So ein Wetter ist, wenn Himmel und Meer sich lieben“ dachte sie, und war glücklich, dass keine Sonne schien. Nach wie vor fühlte sie sich, als ob Martin sie noch immer hielt. Vorsichtig, um sie nicht aus ihren Gedanken zu verschrecken, legte er seine Arme von hinten um sie. Skye hatte ihn nicht kommen gehört, zu sehr prasselte der Regen. „Komm‘, ich lese es dir vor“ murmelte er ihr ins Ohr. Die Grenze zwischen Flüstern und küssender Berührung war nicht auszumachen. Skye fröstelte. Sanft zog Martin sie zurück ins Bett. Es duftete noch immer nach ihrer Wärme. Vincx-Sûr-Plage, 6.40h. Blaue Lippen, nasse Haare, zitternde Haut noch. War schwimmen. Verfrühtes Morgenlicht, feuchte Nebel liegen still über dem schlafenden Wasser. Grüne Pinien duften dem Sommer entgegen. Das Dunkel des Meeres umfängt mich wie eine Geliebte, die ich nicht habe. Es sind die eigenen Wellen, die ich schwimmend schlage, die um mich züngeln. Schneller, schneller, das Wasser ist stärker, kälter als ich. Aufgelöstes Ufer. Meer nur noch, Angst mich zu verlieren. Fern der Horizont. Bewegungslos. In die Tiefe sinken. Die Rufe der Morgen-vögel versterben in dieser ausgeatmeten Stille. Sinken. Tiefer. Sinken. In den Ohren rauscht mein Leben vorbei. Erinnerungen, Zweifel drängen wie Luftblasen flatternd nach oben. Lösen sich an der Oberfläche in dem Rest der Welt platzend auf. Frei. Im Nichts schweben. Tiefer. Inne-halten noch. Nur eines fühlen. Fühlen. Mich. Nur mich. Tiefer noch. Stille. Leben verdichten. Eine Stelle. Nur eine. Mein Herz. Schlägt. Warm. Auftauchen. Aus großer Tiefe heraus. Emporschießen. Licht atmen, die Welt schmecken. Der Kälte wegschwimmen, das Ufer riechen, schwimmen, Morgenröte hören, schwimmen, schwimmen. Mit Klarheit sehen, nach vorne. Schwimmen. Richtung fühlen, raumlos im Denken.

leben unsere entferntesten träume? wann sind wir am meer?

befreiend, die gezeiten und glitzernde brandung auf der haut. nur wir zwei königskinder am ende und begin der welt.

das meer ... liebe.

begehrende bewegung nährende flut, verzehrende ebbe im tiefsten sein

weiße segel auf der zuverlässigkeit stiller tage

gischt brausende stärke nahender leidenschaft

von fließendem sand warm umrandetes azur zerklüfteter hoffnungen

exotische wärme türkieser oasen gemeinsamer beständigkeit

wie tief es geht?

kleine zehen hineingehalten schrecksekunden lang nur

füße unsicher eingetaucht

bis zum bauch gegangen, die umarmung des wassers geahnt

dann

bis zu unseren bebenden lippen den grund unter den füssen verlieren, flutende hingabe, treiben, tauchen endlich endlich nur fisch sein

ja, am meer wird alles.

du.

Heute kommt Skye. Endlich. Selbst das Meer atmet anders.


 

    
 
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